heide Goedecke
Die Zeit Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre faszinierte mich, es gab Impulse die obrigkeitshörigen Erziehung zu überwinden, neue Wege zu diskutieren, die Trennung von Privatem und Politischem aufzuheben und über Frauen, die aus Kalifornien zurückkamen, Weibliches wertschätzen zu lernen. In Frauengruppen lernten wir, achtsam mit unserem Leib umzugehen, an der TH durften wir ein Geschichtsseminar halten, für Frauen, das die Lebensumstände und das Denken von Frauen in den Mittelpunkt stellte. Eine Aufbruchsstimmung, aber auch mit ganz vielen Steinen, über die wir manchmal auch stolperten. Es gelang oft nicht, das neu Erfahrene zu integrieren und zu leben.
Ende der 70er Jahre wurden die Weichen auf Veränderung gestellt. Ich erlernte einen neuen Beruf, neben der klassischen Massage mit atemtherapeutischen Ansätzen auch Körperorientierte Psychotherapie. Und dann kam der Tanz, der Kreistanz: „ ….Tanz ist Verwandlung des Raumes, der Zeit, des Menschen.…“ dieses Zitat kursierte in den Tanzgruppen (Quelle nicht gesichert) und als ich anfing mitzutanzen, war ich gespannt auf das, was passieren könnte. Ich durfte, konnte und musste sogar alle Wege gehen Das heißt, ich darf, kann und muss alles ausprobieren, kann mich Fremdem annähern und durch Wiederholungen, Fremdes und Bekanntes vertieft erfahren. Ich kann teilhaben an der Weisheit, die den überlieferten Tänzen innewohnt. Das war für mich zunächst ein innerpsychischer Prozess.
Dann kam die Erfahrung „Sakraler Tanz“: Der psychologische Aspekt trat in den Hintergrund, hatte ja auch schon Wandlung erfahren. Eine Vielfalt spiritueller Themen aus verschiedenen Religionen und Ländern wurde ertanzt. Religion und Musik waren für mich schon immer verknüpft. Es gab den Kirchengesang und das Wort, als Gesten nur die gefalteten Hände und die zum Segen erhobenen Arme des Pfarrers. Nun kam hinzu: Im Tanz kann ich die Inhalte leiblich erfahren und in immer wechselnden Schritten in die Welt tragen, es wandelte sich die spirituelle Erfahrung.
Tanzen „zog Kreise“. Ich erfuhr die Verbindung von Tänzen und Natur, die Verbindung zu Pflanzen, Blumen und Bäumen, zum kosmischen Geschehen. Das Interesse an alten überlieferten Tänzen war geweckt: zu Tänzen aus verschiedenen Kulturkreisen, zu frauenspezifischen Tänzen, die im Jahreskreis und den jahreszeitlichen Themen verortet sind. Das Gemeinsame: alle finden sich wieder im Kreis um die Mitte, im Abbild des kosmischen Geschehens, im Zyklischen, im Kreisprinzip.
Diese Erfahrungen, gesammelt bei sehr unterschiedlichen Tanzleiterinnen (Maria-Gabriele Wosien, Jutta Voss, Anastasia Geng, Friedel Kloke-Eibl, Hilda Maria Lander + Maria-Regina Zohner), wollte ich weitergeben in kontinuierlichen Tanzkreisen und Tanztagen. Mein Ansatz war: die Tänze sprechen zu uns ohne Worte und erreichen uns im tiefsten Inneren und bewirken Veränderung, Wandlung.
kreisprinzip lernte ich kennen durch Tanzfrauen, die bei Jutta Voss die Mythologie-Seminare belegt hatten. Was war für mich nun so besonders? Im Kreis sind alle gleich weit von der Mitte entfernt – oder gleich nah der Mitte, gleichberechtigt. Dennoch bedarf es der Leitung. Es war die Art, mit der die Leiterinnen Seminare vorbereiteten und mit Umsicht und Wissen und sehr strukturiert und liebevoll ihre Aufgabe erfüllten. Eine Abkehr vom hierarchischen Prinzip! Es ist die Wertschätzung, die jede der anderen entgegenbringt, die Wertschätzung dessen, was die andere sagt, auch wenn es nicht der eigenen Vorstellung entspricht. Es ist das Vertrauen, das daraus entsteht, dass es, wenn es dann doch einen Konflikt oder eine Verletzung gibt, dies auf sehr emotional ehrliche und offene Weise gelöst werden kann. Es ist die Art der Gespräche zu den Tänzen: Alle Aussagen blieben so stehen, wie gegeben.
Heide Goedecke
Pfullingen, Jahrgang 1942
Masseurin, Atem- und Körpertherapeutin,
nach vielen Jahren in eigener Praxis im Ruhestand
seit 30 Jahren Tanzleiterin Sakraler Tanz, Tänze der Völker
zur Familie gehören: zwei erwachsene Kinder mit Partner und Partnerin
und ein schon erwachsener Enkel